Am 10. Dezember 1938 setzt sich am Westbahnhof der erste Wiener Kindertransport in Bewegung. Jeder zurückgelegte Kilometer Richtung Großbritannien bedeutet für die jüdischen Kinder in den Waggons ein Stück mehr Sicherheit, ja Lebensrettung. Gleichzeitig ist es ein Kilometer weiter weg von den Eltern. „Das letzte Mal sah ich meine Eltern am Westbahnhof am 16. Dezember 1938!“ Fred Grubers Eltern wurden im Holocaust ermordet, wie die Eltern der meisten Kindertransport-Kinder. Robert Gokls „Menschen & Mächte“-Dokumentation „Auf Wiedersehen Mama, auf Wiedersehen Papa“ erzählt im Rahmen des ORF-Zeitgeschichteschwerpunkts zu Novemberpogromen und 80 Jahre Zweiter Weltkrieg am Dienstag, dem 5. November 2019, um 22.35 Uhr in ORF 2 die Geschichte ihrer traumatischen Flucht, schildert die Probleme der Integration in der Fremde und die posttraumatischen Folgen bis heute.
Das Novemberpogrom 1938 macht deutlich, was der jüdischen Bevölkerung Nazi-Deutschlands bevorsteht Robert Shaw: „Ich kann mich an die Kristall-Nacht erinnern. Eine brennende Synagoge mit SA und SS-Männern!“ Dennoch wollen die meisten Staaten keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Großbritannien ist zumindest bereit, Kindern die Einwanderung zu erlauben – solange sie der britischen Regierung keine Kosten verursachen. Aber wie sollen Kinder ohne Eltern nach Großbritannien fliehen?
Retterin Tausender jüdischer Kinder
Eine Niederländerin findet eine Lösung und wird zur Retterin Tausender jüdischer Kinder: „Eichmann saß in einem großen Raum, in einer schwarzen Uniform, mit einer großen Lampe und einem riesigen Hund. Ich ging zu ihm hin und sagte: ‚Herr Doktor, ich bin Frau Wijsmuller und möchte gern mit Ihnen sprechen.‘ Geertruida Wijsmuller-Meijer, eine holländische Bankiers-Gattin, erreicht in hartnäckigen Verhandlungen, dass Adolf Eichmann jüdischen Kindertransporten zustimmt. Britische Hilfsorganisationen wie die Quäker bringen das notwendige Geld auf.
Die Kindertransporte retten 10.000 Kinder und Jugendliche vor dem Tod
Zwischen dem 10. Dezember 1938 und dem Beginn des 2. Weltkrieges am 1. September 1939 rollen insgesamt 22 Züge gegen Westen, Richtung England. Knapp 3000 Mädchen und Burschen können bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges Österreich verlassen und vor Verfolgung und Deportation gerettet werden, ebenso Kinder aus Deutschland, der Tschechoslowakei und Polen. In Summe entkamen so rund 10.000 Kinder und Jugendliche dem sicheren Tod.
Der Verlust familiärer Geborgenheit
Die psychologischen und mentalen Folgen der Kindertransporte waren immens. Denn was die Eltern als Lebensrettung verstanden, deuteten die Kinder oft als abrupten und absoluten Verlust familiärer Geborgenheit. Francis Wahle, 9 Jahre alt bei seiner Flucht: „Ich kenne Kinder, die ihre Eltern beschuldigt haben, dass sie sie verstoßen haben statt gerettet.“ Etwa sechs von zehn Kindern sahen ihre leiblichen Eltern nie wieder. Für überlebende Eltern wurde das Wiedersehen oft zum Fiasko. Die Kinder hatten sich nach vielen Jahren in einer liebevollen Pflegefamilie an diese gewöhnt und leibliche Eltern genauso wie Muttersprache vergessen. Kehrten sie dennoch nach Österreich zurück, kam das meist einem Neuanfang in einer völlig fremd gewordenen Welt gleich. Eine lediglich körperliche, nicht jedoch auch emotionale und mentale „Heimkehr“.
Erich Reich aus Wien blieb in London und ist heute Vorsitzender der Vereinigung der Kindertransport-Kinder: „Meine Eltern haben mir zwei Mal das Leben geschenkt: das erste Mal bei der Geburt, das zweite Mal, als sie mich mit 4 Jahren in einen Kindertransport setzten!“ Auch Erich Reichs Eltern wurden ermordet.
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Drehorte | Wien, Amsterdam, London |
Drehzeit | April & August 2019 |
Regie | Robert GOCKL |
Kamera | Hannes DRAPAL |
Ton & Kameraassistenz | Rene SCHUH |
Produzent | EPO Film |
Equipment SCHUH-TV
SoundDevices PIX240 |
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